Im Juni 2011 passierte Großes für den Schutz alter Wälder in Deutschland. Quasi über eine Sommernacht in Paris erlangten fünf deutsche Buchenwälder weltweite Aufmerksamkeit. Mit dabei - WIR - mit unseren Alten Buchenwäldern auf Jasmund.
Das Jubiläumsinterview anlässlich des 10-jährigen Bestehens der deutschen Teilgebiete im UNESCO-Welterbe Buchenwälder Europas in 2021. Interviewpartner ist der Mitbegründer der ostdeutschen Nationalparks und Aktivist der ersten Stunde für das UNESCO-Welterbe Buchenwälder der Biologe Prof. Hans-Dieter Knapp.
Die Fragen stellt die Journalistin Rebecca Bahr.
Filmproduktion:
Wir bedanken uns für den über das professionelle Engagement hinausgehenden Einsatz bei underDOK Filmproduktion.
Damals gelang es der deutschen Nominierungs-Delegation um den Rügener Prof. Hans-Dieter Knapp das UNESCO-Komitee zu überzeugen die wertvollsten deutschen Buchenwälder in die Welterbeliste aufzunehmen.
Seither zählen unsere Buchenwälder zum „Erbe der gesamten Menschheit“ und stehen in ihrer weltweiten Bedeutung gleichauf mit einzigartigen Naturerbestätten wie den Galapagosinseln vor Ecuador, dem Zentral-Amazonas in Brasilien und die Gondwana-Regenwälder in Australien und viele spektakuläre Orte mehr.
Buchenwälder sind weltweit einzigartig. Sie sind das, was die Steppen für Asien oder die Regenwälder für Südamerika sind: Europas Wildnis, Urheimat und somit Bestandteil unserer europäischen Identität - Sie sind aber auch eines: UNESCO-Welterbe und gehören somit zum Erbe der gesamten Menschheit.
Es umfasst eine Fläche von ca. 98.125 Hektar und wird von 18 europäischen Staaten verwaltet. Gemeinsam schützen sie 94 Teilgebiete der Stätte – die letzten verbliebenen Buchen-Urwälder und jahrhundertealte, vom Menschen unveränderte Buchenwaldgebiete Europas.
Zusammen dokumentieren sie die nacheiszeitliche Waldentwicklung Europas – ein Naturphänomen, das sich an keiner anderen Stelle der Welt so gut zeigen lässt wie in den verbliebenen Buchenwäldern Europas.
Dies macht sie zu einer Stätte von „außergewöhnlichem universellem Wert“ – zu einem Erbe der Menschheit.
Eines der 94 Teilgebiete befindet sich im Herzen des Nationalparks Jasmund. Es umfasst eine Fläche von 493 ha.
Jasmund repräsentiert die Buchenwälder des Tieflandes. In dem etwa 3.000 ha großen Schutzgebiet steht auf 2.100 ha der größte zusammenhängende Buchenwald an der Ostseeküste.
Vorherrschender Waldtyp ist der baltische Waldgersten-Buchenwald. Er ist begleitet von Orchideen-Kalkbuchenwald auf Kreidesteilhängen, mit Eschen-Buchenwald in Bachtälern, mit Erlen, Quellsümpfen und Mooren. Der Buchenwald löst sich an den Kreidefelsen der Kliffhänge auf in ein dynamisches Mosaik aus offenen Bereichen, Gebüsch- und echtem Urwald. Aufgrund der Steilheit und Unzugänglichkeit wurden die Wälder an den Kliffhängen forstlich nie genutzt.
Ökologisch betrachtet ist Wald eine strukturell von Bäumen bestimmte Vegetationsformation, ein komplexes, sich selbst regulierendes dynamisches Ökosystem von außerordentlicher Vielfalt in Abhängigkeit vom Klima und von weiteren Standortfaktoren (Otto 1994, Schroeder 1998).
Wälder sind das bedeutendste terrestrische Ökosystem unseres Planeten:
Wälder sind einerseits vom Klima abhängig, indem sie auf ausreichende Niederschläge und Wärmesumme angewiesen sind. So können Wälder überall wachsen, sofern Feuchtigkeit und Vegetationszeit ausreichen. Dem Wald sind nur Grenzen gesetzt, wenn nicht genügend Wasser verfügbar (Trockengrenze) oder die Vegetationszeit zu kurz ist (polare und alpine Waldgrenze). Zwischen diesen zonalen Waldgrenzen sind die Wälder in ihrer Struktur und Zusammensetzung in erster Linie entsprechend unterschiedlichen Klimas differenziert, erst in zweiter Linie entsprechend Nährstoffangebot und Bodenfeuchte.
Wälder wirken aber auch auf das Klima zurück, indem sie
All diese und weitere ökosystemare Leistungen vollbringen Wälder ganz ohne Zutun des Menschen Jahr für Jahr seit Jahrtausenden und Jahrmillionen.
Laut § 2 Bundeswaldgesetz wird Wald wie folgt definiert: »(1) Wald im Sinne dieses Gesetzes ist jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs und Sicherungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.« (BWaldG 2017)
Förster unterscheiden traditionell "Holzboden" von "Nichtholzboden". Beides fällt in deren Waldverständnis.
"Holzboden": Jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche einschließlich Waldflächen, auf denen vorübergehend keine Bäume stehen (Lücken und Blößen).
"Nichtholzboden": Hierzu zählen dauerhaft baumfreie Flächen wie Waldwege, Holzlagerplätze, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.
Die Bundeswaldinventur orientiert sich an der gesetzlichen Walddefinition.
Im Sinne einer klaren und einheitlichen Abgrenzung gilt ergänzend, dass eine Fläche erst als Wald erfasst wird, wenn sie mindestens 0,1 Hektar groß und zehn Meter breit ist.
Ökonomisch betrachtet ist Wald eine forstwirtschaftlich genutzte Fläche mit dem Primärziel, Holz zu produzieren. Man bezeichnet diese Wälder als Wirtschaftswälder bzw. Forste.
Umgangssprachlich ist Wald eine mit Bäumen versehene Fläche.
Ursprüngliche Buchenwälder sind ein ganz besonderes europäisches Naturerbe. Sie liefern den zentralen europäischen Beitrag zur weltweiten biologischen Vielfalt. Was macht sie weltweit so einzigartig?
Buchenwälder gehören zu den faszinierendsten Wald-Ökosystemen dieser Erde. Experten sprechen dabei von einem so genannten „Stamm-Ökosystem“, d. h. von einem Ökosystem, das seinen Stammplatz hier in Mitteleuropa hat und das in seiner spezifischen Ausprägung sonst nirgendwo anders auf der Welt angetroffen werden kann.
Die Dominanz einer einzigen Baumart, der Rotbuche (Fagus sylvatica), ist das Charakteristische und zugleich das „Einzigartige“ dieses Wald-Ökosystems. Prägnant für die Buche ist vor allem eine Eigenschaft: Sie ist in der Lage, die Sonnenstrahlung optimal zu nutzen und selbst unter extrem ungünstigen Lichtbedingungen noch zu wachsen. Nur ganz wenige mitteleuropäische Baumarten haben diese Fähigkeit.
Die Buche verfügt mit ihrem markanten, silbrig-grauen Stamm über eine enorme Anpassungsfähigkeit. Sie wächst auf kalkigen, nährstoffreichen Standorten ebenso wie auf sauren, nährstoffarmen und sogar auf mäßig feuchten oder trockenen, felsigen Böden und kann im Zentrum ihrer Verbreitung von der Küste bis zum Hochgebirge in fast jeder Höhenstufe überleben. Die außergewöhnlich weite klimatische Amplitude der Buche reicht bei der Jahresmitteltemperatur von 4 Grad Celsius bis 12 Grad Celsius und bei den mittleren Jahresniederschlägen von 450 Millimeter bis etwa 2.000 Millimeter.
Die Buche hat es aufgrund ihrer großen ökologischen Potenz geschafft, nach der Eiszeit aus kleinen Rückzugsgebieten im Süden und Südosten Europas heraus in den letzten 4.000 Jahren weite Teile Europas zu besiedeln. Diese Rückbesiedelung dauert noch an und stellt ein weltweit einmaliges Beispiel dar, wie eine einzige Baumart sich gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen und auf großer Fläche dominieren kann.
Buchenwälder stellen trotz der Dominanz nur einer Baumart den idealen Hauptlebensraum für viele heimische Pflanzen- und Pilzarten (ca. 4.300) sowie Tierarten (ca. 6.700) dar. Sie sind also keineswegs artenarme Monokulturen – ganz im Gegenteil. Gerade in ihrer naturbelassenen, strukturreichen Form zeichnen sie sich durch eine enorme biologische Vielfalt aus, deren Spektrum durch Kleinbiotope, wie z.B. Quellen, Moore, Felsen, noch erweitert wird.
Besonders ist auch der jahreszeitlich bedingte Wandel der Buchenwälder. So lockt das zarte Grün des ersten Laubaustriebes im Frühling und das prächtige Farbenspiel im Herbst viele Menschen in die Natur.
Die europäische Kultur ist tief mit den Buchenwäldern verwurzelt. So verlief die nacheiszeitliche Rückbesiedlung der Landschaft durch die Buche parallel zur Seßhaftwerdung unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit. Buchenwälder waren deren wichtigste Lebensgrundlage. Sie gaben ihnen Brenn- und Bauholz sowie Nahrung für Mensch und Vieh („Fagus“ von griechisch „phagein“ = essen). Sie wirkten sich aber auch auf die Kreativität und das schöpferische Schaffen der Menschen aus. Die Natur stand, wie in vielen anderen Kulturen der Erde auch, auch hier Pate für unsere ganz eigenen kulturellen Identität. Beispielhaft stehen hier unsere Mythen und Sagen, der Einfluss auf unsere Sprache (Buchstabe, Ortsbezeichnungen) und die mächtigen mittelalterlichen Kathedralen, deren hallenartige Bauweise an die glatten hohen Stämmen im gedämpften Licht unserer Buchenwälder erinnert.